Neuerscheinung in der Reihe Urban Habitat and Humanities, Bd. 2
Der zweite Band der Riehe „Urban Habitat and Humanities“ konnte nun zwei Jahre nach der Gründung erscheinen. Es ist eine besondere Freude ein besonderes Werk zur Geschichte der Augsburger Stadtplanung präsentieren zu können.
Elischa Rietzler kontextualisiert die Augsburger Stadtplanung in einem internationalen Rahmen, verweist unter anderem auf Haussmann in Paris und seine radikale Zerstörungsplanung der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Hauptstadt Frankreichs. Camillo Sitte als Gegenentwurf zu Haussmann wird ebenso erwähnt. Mit seinen Beispielen umfasst Rietzler das diskursive Feld. Wichtig für den Fischer-Plan ist zudem die Planung im NS, die gerade in der Stadt- und Mobilitätsplanung stark von dem VW-Lobbyismus beeinflusst ist, der zu vielen normativen Setzungen führt, die sich bis heute erhalten haben und gesetzliche Hürden für den Klimaschutz und urbane Klimaresilienzstrategien darstellen. In diesem Kapitel geht der Autor intensiv auf die Akteure wie Todt, Speer und Feder ein. Gottfried Feders Publikation „Die neue Stadt“ gab viele Impulse für die kleine und mittlere NS-Idealstadt. Auch ein Kapitel über die „Stunde Null“ Nachkriegsdeutschlands fehlt nicht. Wichtige Hinweise auf die unselige Verquickung von Luftkrieg und Neustrukturierung der Städte bleiben nicht unerwähnt. Stadtplanung für das zerstörte Deutschland richtete sich nach der Kriegstechnik. Genauso trat es letztlich ein. Viele der Achsen, die aus Haussmanns Ideenschatz vermittelt durch Albert Speer in die bundesdeutsche Stadtplanung kamen, wurden in den zerstörten Städten umgesetzt. Anvisiert wurde die autogerechte Stadt, die Platz benötigte, der nicht einfach in den Altstädten gewonnen hätte werden können. So ging die RAF und die NS- wie auch Nachkriegsstadtplanung eine Allianz ein. In diesen Rahmen des 20. Jahrhunderts setzt Rietzler allgemeine Überlegungen zu Karten, betont deren Konstruktivismus, die Entwicklung von Wirklichkeiten wie Berger / Luckmann anmerken würden. Gerade die Reduktion und Abstraktion, die sich in Kartenplanung vollzieht, hat eine gewaltige Auswirkung auf die Gestaltung, die lokale Umstände nicht vollständig berücksichtigt. Erst in der gegenwärtigen Stadtplanung wird von der überformenden Nivellierung durch Kartenplanung Abstand genommen.
Im Weiteren wird das Fallbeispiel Augsburg mit dem Fischer-Plan analysiert. Akteure und ihre Netzwerke um Theodor Fischer werden seziert, Behördenstrukturen werden offengelegt, Planungsstufen beschrieben. Elischa Rieztler führt aus, wie sehr der Fischer-Plan die Augsburger Stadtplanung bis heute prägte – nicht immer zum Besten der Stadt. Dabei fehlt die Wiederaufbauzeit und das Netzwerk ihrer Protagonisten keineswegs. Es entsteht regelrecht ein lebendiges Bild Augsburger Stadtplanung. Rietzler geht in Rückgriff auf die hervorragenden Studien von Gregor Nagler mit eigenen Interpretationen ergänzend darauf ein. Besonders aufschlussreich ist auch das Kapitel „Kontinuum Schleifenstraße“ . An diesem Beispiel wird deutlich, wie schädlich der Einfluss von kartografischer Planung sein kann, wenn Behörden nicht mehr gewillt sind, einen Abgleich mit sich wandelnden Strukturen vorzunehmen. Die Verwirklichung der Fischer‘schen Schleifenstraße führte zu einer Teilung der Stadt, die kaum zu heilen ist, sollte sie nicht in einen umfassenden neuen Plan, der die Zukunft mit neuer Mobilität und Urbaner Resilienz berücksichtigt, neu gedacht werden.
Das Buch ist im Buchhandel und open access verfügbar.
Urban Habitat and Humanities, Bd. 2, herausgegeben von Stefan Lindl.