Bayern: Gendern wieder verboten!

Ein Kommentar von Stefan Lindl

Kommentar und Anmerkungen zum Vortrag am 18. Januar 2024, Universität Augsburg in der Reihe „sex and history: Sprache und kaputt. Der Abstieg des Männlichen“ in Bezug auf das von der Bayerischen Regierung ausgesprochene Genderverbot vom 19. März 2024.

Präambel: Niemand muss sich aufregen! Bayern hat den Asterisk und seine Verwandtschaft, die Gendergap etc., vor 23 Jahren schon verboten. Die erneute Regelung der AGO ist nichts anderes als eine Wiederholung des Verbots des Verbotenen.

Verbot des Verbotenen

Heute am 19. März 2024 hat die Bayerische Staatsregierung beschlossen, dass die Verwendung von Gendersonderzeichen an staatlichen Einrichtungen ab 1. April 2024 verboten sein soll. Beamten wird bei Zuwiderhandlung gedroht – wohl dienstrechtlich. So sagte der Bayerische Innenminister: „Mehrgeschlechtliche Schreibweisen durch Wortbinnenzeichen wie Genderstern, Doppelpunkt, Gender-Gap oder Mediopunkt sind nun ausdrücklich unzulässig.“ Doch was bedeutet das? Weiter so Hermann: „Rechts- und Verwaltungsvorschriften sollen so formuliert werden, dass sie jedes Geschlecht in gleicher Weise ansprechen, etwa durch Paarformeln oder geschlechtsneutrale Formulierungen. Dabei ist jedoch jede sprachliche Künstlichkeit oder spracherzieherische Tendenz zu vermeiden.“ 

Heißt das, die alte Sprache und damit die alte soziale Konstruktion, die alten Machtverhältnisse der Geschlechter in voller Kraft sollen wiedererstehen? Geht es darum, wenn gesagt wird: Wir verbieten das Gendern? Obgleich dieser Anschein erweckt wird, heißt das noch lange nicht, dass gendergerechte Sprache verboten werden soll. Im Gegenteil, so wird uns vermittelt! Bayern, hatte sich längst vor über zwei Jahrzehnten explizit verpflichtet, gendergerechte Sprache zu fördern. Die Frage dabei ist nur: Was versteht die verbietende Politik unter gendergerecht beziehungsweise gendersensibel? Was ist erlaubt, was nicht? 

„Gendersensibel“ scheint weithin lediglich einer binären Kodierung zu unterliegen, das heißt, Männer wie Frauen sollen gleichermaßen geschlechtergerecht angesprochen werden. Non-binäre Menschen werden in dieser Bedeutung des Wortes nicht berücksichtigt und sollen offenbar auch nicht angesprochen werden. Anders ließen sich die sogenannten Genderverbot nicht verstehen. Bayern verbietet das Gendersternchen, also den Asterisk, und ähnlicher Schreibweisen. Weiterhin soll und muss gendergerecht die binäre Ansprache der Bürgerinnen und Bürger nach ihrem binär kodierten Geschlecht erfolgen: Frau Kauffrau, Herr Kaufmann, Herr Dienstherr, Frau Dienstherrin. Bayern untersagte 2001 zudem das generische Maskulinum und neutrale Formulierungen wie „die Studierenden“. Offenbar sollen in der neuen Verordnung die neutralen Formulierungen erlaubt sein. Keineswegs steht also selbst in Bayern ein Ende des Genderns an. Es werden nur, so die bayerische Landesregierung, „künstliche“ oder „spracherzieherische“ Formulierungen wie sie in der Gender Gap, dem Doppelpunkt oder mit dem Asterisk, dem Gendersternchen, zum Ausdruck kommen, untersagt. Also was wird verboten? Und vor allem warum? Ein Verbot, wie es vom bayerischen Ministerpräsidenten im Dezember 2023 angekündigt wurde und nun zum 1. April 2024 gelten soll, scheint aus einem erstaunlichen Grund überflüssig, Oder wie sollte das Verbot des längst Verbotenen verstanden werden? Genderverbot bedeutet: Keine sprachliche Inklusion von Menschen, die weder männlich noch weiblich sind. Ihnen wird mit den Verboten sprachlich keine Referenz mehr erwiesen, was bis zum 1. April 2024 noch mit dem Asterisk möglich gewesen sein wird. 

Totalität des Genderns

Die Regierungserklärung von Markus Söder vom 6. Dezember 2023, auf der das am 19. März 2024 erlassene Verbot ruht, verschleiert beispielsweise diese Differenz in einem Absolutheitsanspruch. Dort heißt es: „Für Bayern steht fest: Mit uns wird es kein verpflichtendes Gendern geben. Im Gegenteil: Wir werden das Gendern in Schulen und der Verwaltungen sogar untersagen.“ Diese Wortwahl der Totalität lässt sich nicht auf das Gendern bezüglich des Diversen und Non-Binären verstehen, sondern richtet sich auch gegen die gendergerechte / gendersensible Sprache bezogen auf binäre Menschen. Hier wird der Eindruck durch das absolute Verbieten vermittelt, dass die binären Machtverhältnisse auch sprachlich beibehalten und somit in der sozialen Konstruktion rückverankert werden sollen. Abwarten, was der Gesetzestext für die AGO vom 19. März 2024 an Formulierungen bringt. (Momentan liegt er noch nicht online vor.)

Asterisk: Sinn und Schönheit des Künstlichen

In Bayern hat sich wie in vielen anderen Bundesländern der Asterisk gegenüber anderen Schreibweisen weitgehend in den Kreisen durchgesetzt, die das Gendern gutheißen und das Bundesdeutsche Personenstandsgesetz beachten wollen, das seit 2018 das Geschlecht divers neben männlich und weiblich offiziell anerkennt. – Ja, es gibt juristisch seit 2018 nicht mehr nur binäre Menschen in Deutschland, es gibt auch non-binäre. Wie verhält sich die neue bayerische AGO zum Personenstandsgesetz?

Warum der Asterisk so unbeliebt ist, liegt wohl nicht so sehr in der Schrift verborgen, als im Mündlichen. Der Asterisk führt während des Lesens und Sprechens zum Glottischlag, der in der Tat immer noch für einige gewöhnungsbedürftig klingt und geradezu zur empörten Ablehnung bis hin zu hasserfüllten Gefühlsausbrüchen führt. Nirgendwo anders als im Glottischlag wird die Erosion der binär kodierten Machtverhältnisse, der heterosexuelle Imperativ und die antidiverse diskriminierende Haltung deutlicher, denn die Strahlen des Asterisks erfassen eben alle Formen des Nichtbinären, die offenbar von denen, die verbieten, nicht erwünscht sind. Das ist fragwürdig, wenn nicht eine staatlich legitimierte Alternative zum Asterisk ministeriell verordnet wird. 

Bayerische Verordnungen 

Ein Blick in die bayerischen Normative zeigt, dass, wie schon bemerkt, bereits das Kabinett Stoiber III das Gendern bezüglich der Binarität der Geschlechter explizit herausstellte. Mit der verpflichtenden Berücksichtigung des weiblichen Geschlechts wurden Diskriminierungen von Frauen und damals bestehende soziale Machtverhältnisse unterminiert. Lediglich „künstliche“ Formen, wie der Asterisk und entsprechende Zeichen wurden damals verboten. – Ist das irritierend? Warum wird der Asterisk ab dem 1. April 2024 verboten, obwohl er bereits seit dem 6. November 2001 verboten ist und am 16. Juni 2015 noch einmal das Verbot unterstrichen wurde? (vgl. „Richtlinien für die Wahrnehmung und Organisation öffentlicher Aufgaben sowie für die Rechtsetzung im Freistaat Bayern (Organisationsrichtlinien – OR) Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierungvom 6. November 2001, Az. B III 2 – 155 – 9 – 33“ und „Richtlinien für die Redaktion von Rechtsvorschriften (Redaktionsrichtlinien – RedR) Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierungvom 16. Juni 2015, Az. B II 2 – G 49/13 – 5“). Das heißt natürlich, der Personenstand divers und alle non-binären Personen wurde ehemals nicht berücksichtigt. Beide Richtlinien aus dem Jahr 2001 und 2015, die für Bayerische Behörden die gendergerechte Sprache regeln, konnten das Personenstandsgesetz von 2018 noch nicht bedenken.

Aber was folgt daraus bezüglich des heute erlassenen Verbots? Wir haben ein neues Personenstandsgesetz seit 2018. Wäre nicht ein Verbot, sondern ganz im Gegenteil ein Anpassen an den bundesgesetzlichen Rahmen notwendig, den das Personenstandsgesetzt vorgibt? Bundesrecht bricht Landesrecht? Bundesrecht gestaltet den Rahmen des Landesrechts? Bricht es noch? Gestaltet es noch?

Wenn Sie sich also empören, dann doch bitte darüber, dass ein Bundesrecht keine sprachliche Resonanz auf Landesebene finden darf, ja, sogar die bestehende und gängigste Resonanz, der Asterisk, verboten worden war, nun wieder wurde und bis auf weiteres verboten worden sein wird! Ansonsten gibt es nun wirklich keinen Grund für kardiovaskuläre Erregung… Chill! Chill lieber Asterisk! Chill und genieße den Spaßfaktor der Politik!

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