Alles Einfach! – Zeitalter negativer Entropie

Die Macht der Sprache

Vom Komplexen zum Simplen. Vom Lebenden zur Asche. Vom Schwierigen zur Einfalt. Von Elster zum Bierdeckel. Von Partizipation zum Principe. Das diverse Wachsen und vielfältige Formen und partikulare Auswachsen möge vorüber sein, so wollen es die Wähler (!) (verflixte Diversität!) nicht nur in den USA, in Österreich, sondern auch in Frankreich und in Deutschland. In der Tat ist schon viel erreicht. Trump ist US-Präsident, seine Minister und Berater haben den notwendigen Willen zur Einfachheit, getrieben von der Sehnsucht nach dem Bukolischen, dem Überschaubaren, der Schafsherde auf der Weide und dem Selbstversorgergarten hinterm Hüttchen. Jean-Jacques in die Jackentasche gesteckt, genügsam und zufrieden grinsend trachten Politiker wie ihre Wähler nach Hause zu gehen, um sich dort in Ruhe die Erde Untertan zu machen und abends im Ofen ein wärmendes Feuer zu entfachen, dessen feiner Weihrauch vom sakralen Parfüm der Heimeligkeit kündet. Wokes Ideengut wird rückabgewickelt. Unbehelligt können sie dann wieder alles nach Herzenslust sagen, BIPoCs heißen dann wieder einfach so wie früher.

Wir befinden uns gerade in einem negativen Vormärz des Jahres 1848 mitten in einer Form der Restauration. Im 19. Jahrhundert wurde nach 1848 alles komplizierter wegen der Mechanismen der politischen Partizipation, heute im Vormerz 2025 ist alles kompliziert, die Revolution soll die Autorität re-installieren und die Partizipation wie auch die Partikularinteressen vermindern, danach werde alles einfacher, so das Versprechen. Wir leben im Streben nach der negativen Entropie. Zäune ziehen, Exklusion, nach Herzenslust böse sein, bunkern, ausgrenzen, endlich wieder diskriminieren, zurückweisen, geltendes Recht einfach übergehen und missachten. Das ist sicherlich die beste aller Grundlagen, um wirtschaftlich durchzustarten und erfolgreich zu werden. Die Welt sei einfach und sie kann es werden, aber sie wird es niemals werden können, denn auch das besagt die Entropie: Ist einmal eine hohe Entropie erreicht, kann sie nicht mehr verschwinden, selbst wenn alles auf einfach zurückgestellt worden sein wird. Die Diversität verschwindet nicht, auch wenn sie sich verlagert.

Doch es scheint zu genügen nach dem inzwischen allzu oft bemühten ersten Satz des Johannes Evangeliums vorzugehen: In principio erat verbum. Das Wort reicht heute aus, um Berge zu versetzten. Als wären die Repräsentantinnen und Repräsentanten der westlichen Politik in Hogwarts zur Schule gegangen. Jener Schule, die der Sprache eine besondere Macht zuschreibt, nämlich Zauberkraft. Von Trump über Lindner zu Habeck, bei allen zeigt sich die Zauberkraft der Narrationen, die ganz bewusst gesetzt werden müssen, um Realität zu erschaffen. Grönland zu den USA: Gesagt und schon ist die Wirklichkeit eine andere. Habeck weiß es auch: Realität gibt es nicht. Sie wird geprägt, wie eine Münze. Zum Ersten, zum Zweiten Münzschlag, so sei es. Sie wird gemacht.

Im Jahr der Quantenmechanik ist das entzückend und selbstredend. Es gibt keine Zustände, erst wenn Beobachter anfangen auf einen Vorgang zu blicken, wird ein Zustand erzeugt. Weil alle die Macht der Sprache kennen, muss die gendersensible Sprache und die diversitätässensible Sprache bekämpft und vernichtet werden, damit sich die Gedanken, die sich darin verbergen, nicht Realität werden und die göttliche oder naturgesetzliche Ordnung weiter hinterfragen.

Sprache ist das Werkzeug der Wahl, um die negative Entropie umzusetzen und die Restauration der Einfachheit voranzutreiben. Wohl noch nie seit 1945 war die Bewegung gegen die sich steigernde soziale und kulturelle Entropie so stark, wie in den letzten Wochen. Wohl noch nie seit 1945 wurde so brachial sprachlich in einer solchen Massivität gegen geltendes Recht agiert, um politische Macht zu erlagen. Rechtsstaatliche und demokratische Prinzipien werden momentan auf’s Spiel gesetzt, mit der fürsorglichen Begründung, nur so könne die Demokratie und der Rechtsstaat verteidigt werden.

Mehr Merzlichkeit! Das wäre schön.

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