Einige empfinden die letzten eineinhalb bis drei Jahre als eine Zäsur. Die gelebte Gegenwart wird als Zeitenwende verstanden, als eine Phase, die alles verändern wird, nichts, was das gewohnte Leben bislang bot, so die Befürchtung der einen oder das Hoffen der anderen, würde zukünftig Bestand haben. Wie mit jeder Zäsur fällt es auch bei dieser schwer, sie zu benennen, ihren exakten Zeitpunkt zu taxieren. Jede Festlegung und Setzung ist willkürliche Konstruktion, nicht mehr und nicht weniger. Eine solche Zäsur ließe sich in den August 2018 legen, als Greta Thunberg ihre Schule für das Klima bestreikte. In der Tat hat sich danach viel getan. Klimawandel und Klimakrise sowie Klimagerechtigkeit fanden Einzug in einen weit und breit geführten Diskurs, mit seinem Spektrum von Verharmlosung bis hin zur Überzeichnung des anthropogen verursachten Klimawandels. Es ließe sich auch der Beginn des Jahres 2020 setzen, der Anfang der Pandemie. Sie hat mehr akuten Wandel erzwungen, als der Diskurs der Fridays for Future auf den Weg bringen konnte. Ein kleines fieses Virus schränkte die Mobilität ein, eine wesentliche Forderung von Fridays for Future. Zusammenleben, Wohnen, urbaner Raum, das Land, alles fand eine neue Bedeutung, eine neue Verheißung, alles unterlag neuen Bedarfen, die das social distancing erst erweckte. Das Neue Leben wurde von einem Virus konzipiert und vielleicht werden wir irgendwann dem Virus dafür dankbar sein, denn es zeigte, wie Andersleben funktionieren kann. Das Virus führte uns an eine Türe, ob wir durch sie gehen werden, ist eine Frage, die wir momentan nicht beantworten können. Wahrscheinlich, so möchte ich progonstizieren, müssen wir durch sie hindurch. Es bleibt uns gar nichts anderes übrig.
Es ist also durchaus möglich, eine Zeitenwende zu vermuten, die sich in den Jahren 2018-2021 vollzogen haben wird. Doch was haben wir zu erwarten? Es gibt eine einfache Wahrheit: Wandel geschieht nur im Wandelbaren. Das heißt, alles, was sein wird, ist bereits in einer bestimmten Form unter uns. Vielleicht unsichtbar, vielleicht noch kaum erkennbar, aber es ist da. Radikal wird sich auch in dieser möglichen Zeitenwende nichts vollziehen, radikale Umgewichtungen wird es möglicherweise geben, bereits bekannte Techniken aus dem Labor werden übersiedeln in das alltägliche Leben und klimaschädliche Techniken ersetzen. Nichts ist neu, neu wird das Bestehende nur in den Handlungsabläufen des Alltags sein. Bestandsaufnahmen und der Blick zurück werden für die Zukunft so essentiell sein wie die Bereitschaft zum Transfer in neue Anwendungsbereiche. Nicht umsonst ist Wort und Begriff Transfer von so entscheidender Bedeutung.
Darin liegt auch der Grund, warum wir unsere Blicke in die Zukunft über den Umweg der Vergangenheit laufen lassen müssen. Genau das haben wir mit diesem Buch bewirken wollen. Regional- und Landesgeschichte kann vieles leisten. Eines ist der Transfer von Wissen, Transfer von Narrationen, das Offenlegen von Narrativen, mit denen wir unsere Entscheidungen rechtfertigen und mit denen wir die Zukunft ermöglichen. Geschichtswissenschaft und besonders die Regional- und Landesgeschichte verfügt über die Möglichkeit eine History for Future zu sein, wenn uns das für Bayerisch-Schwaben ein wenig gelungen ist, so würde mich das ungemein freuen. Wir blicken hier auf ein weites Feld aus Agrar-, Infrastruktur-, Stadt- und Umweltgeschichte, auf Räume, die von Menschen gestaltet wurden. Das zeigt sich hier in dem Blick vom Daniel der St. Georgs Kirche in Nördlingen, ebenso in der Burg Niederhaus, die für die spezifische, bis heute spürbare Struktur Bayerisch-Schwabens steht, den Flickenteppich, sowie in einer abschließenden gewaltigen Formation im Süden des Bezirks: in der Nagelfluhkette. Zwischen Ries und Alpen liegen vielfältige Klein- und Kleinsträume, die es zu entdecken und zu entwickeln gilt. Möge das Buch hierfür ein wenig Transfer leisten.
Zur Veranstaltung am 15. Juli 2021, 18.15 Uhr – via Zoom
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Uhrzeit: 15. Juli 2021, 18.15 Uhr
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