Italiens Starfotograf Paolo Costa in Augsburg 

Vernissagerede anlässlich der Einzelausstellung „Paolo Costa – gestern, heute, morgen“ in der Augsburger Galerie Süßkind, am 13. April 2024

Der italienische Starfotograf Paolo Costa, der in den 1950er und 1960er Jahren die Filmprominenz der Cinecittà Roms porträtiert und begleitet hatte, geriet nach seinem Tod 1981 in Grünwald bei München ins Vergessen. Nun ist ihm, dank seiner Tochter Alexandra Pfründer, eine Einzelausstellung gewidmet an einem Ort, der auf den ersten Blick nichts mit Costa zu tun hat: Augsburg. 

In Lugo di Ravenna in der Emilia Romagna in der Nähe von Bologna gelegen wurde er 1917 am Ende des Ersten Weltkriegs geboren. Dort wuchs er im ländlichen Raum auf. Er studierte an den Universitäten Bologna und Venedig Politikwissenschaften und Philosophie. Viel ist über sein Leben noch nicht bekannt. 1943, wohl nach den quarantacinque giorni, den fünfundvierzig Tagen zwischen der Absetzung Benito Mussolinis und der Besetzung Italiens durch deutsche Wehrmachtsverbände unter Generalfeldmarschall Albert Kesselring, flüchtete er in die älteste Republik der Welt, San Marino in der Nähe von Ravenna. San Marino war mit dem Zerfall der faschistischen Partei neutral geworden und so zum Schutzort von ca. 100.000 Personen avanciert, die vor den deutschen Verbänden flohen. Darunter Kommunisten und Juden. Costa floh mit einem jüdischen Freund auf Fahrrädern in die Republik. Zu vermuten ist, er habe die nicht rechtmäßigen Bombardierungen San Marinos durch die Royal Air Force mitbekommen. Von San Marino führte sein Weg – auch wenn noch im Dunkeln liegend – nach Mailand. Dort hatte Costa seinen Wohnsitz bis 1953. 

Der Fotograf

Paolo Costa

1951 trat er erstmalig als autodidaktischer Fotograf auf. Er widmete sich einem wieder aufgeflammten Blutrachekonflikt in Sardinien zweier Familien im Ort Orgosolo. Der Bericht wurde im Life-Magazin veröffentlich und machte ihn schlagartig bekannt. Zu vermuten ist, dass Costas Artikel im Zusammenhang mit Franco Cagnettas Forschungen über das Sardinischen Banditentum steht. Cagnetta war Anthropologe und Kunsthistoriker und startete eine großangelegte Feldforschung 1950. Der neun Jahre jüngere aus Bari stammende Cagnetta arbeitete später mit dem Fotografen Pablo Volta zusammen, der die Konflikte zwischen Sarden und Carabinieri sowie den kriminellen Taten der Sarden fotografisch festhielt. Daraus entstand das Buch „Banditi a Orgosolo“, das 1963 in Frankreich und erst 1975 auf italienisch erschien. Die Studie inspirierte Vittorio De Seta 1961 für einen gleichnamigen Film. Cagnetta lebte seit 1950 in Orgosolo. Welche und ob Cagnetta und Costa im Austausch standen, ist bislang nicht belegbar. Anzunehmen ist eine Bekanntschaft der beiden. Allerdings übernahm Pablo Volta die fotografische Dokumentation für Cagnetta, Costa tritt wohl nicht bei ihm in Erscheinung. Das lag unter anderem daran, dass Costa schon weitergezogen war. Von Sardinen ging er weiter nach Apulien und hielt die Armut auf dem Gargano fotografisch fest und beschrieb sie journalistisch. 1953 wechselte er seinen Wohnort. Von Mailand zog es ihn nach Rom, um in der italienischen Hauptstadt seinen Lebensmittelpunkt zu etablieren. Cinecittà, die von Benito Mussolino gegründete Filmstadt bei Rom, wurde zu einer beliebten Produktionsstätte Hollywoods der Nachkriegszeit. Paolo Costa konnte dort als Fotograf der Stars reüssieren. Sophia Loren, Claudia Cardinale, Marcello Mastroianni, Luchino Visconti, Federico Fellini sind nur einige Stars der Cinecittà, die sich von Costa haben fotografieren lassen. Päpste, Königinnen, Künstlerinnen standen ihnen in nichts nach – Paolo fotografierte sie alle. Costa hatte Zugang zu ihnen und inszenierte ihre Privatheit, die andere Seite jenseits der Leinwand im vermeintlich Privaten oder zumindest Gewöhnlichen. Seine Fotos authentisieren die Stars jenseits ihrer mimischen Rolle in den Filmen. Sein Wunsch, die Natürlichkeit seiner Modelle herauszuarbeiten, verschafften ihm eine Unverkennbarkeit. Wegen ihr konnte er seinen Fotografien weltweit verkaufen. Sie zieren eine kaum überschaubare Menge an Covers von Zeitschriften und Magazinen. Er half den Stars eine Identität ikonisch erhaben zu machen, sie gleichzeitig aber auch den Menschen omnipräsent nahe zu bringen. Claudia Cardinale wurde zu Claudia, Sophia schmollte freundinnenhaft, wirkte nahe in der Ferne, wirkte fern in der Nähe. Der Zauber der Fotografie liegt in ihrer scheinbaren Wahrhaftigkeit, mimetischer Exaktheit. Das magische Funktion des Bildes, das in der Vormoderne, dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit, aber auch in unserer Kindheit noch als identisch mit der Wirklichkeit angesehen wurde, lebte in den Fotos der Starfotografen noch einmal im 20. Jahrhundert auf. Darin lag die Grundlage des Geschäftsmodell Costas und seiner Kollegen. Alle wollten die Stars neben sich, an ihrer Seite. 

Während in den 1960er Jahren in der Cinecittà wirtschaftlich noch alles in bester Ordnung war, bahnte sich Anfang der 1970er Jahre ein erster Niedergang an. Bedingt war er durch die Television, die andere Formate als die der Monumentalfilme benötigte. Für Costa ging eine Lebensepoche in Rom zu Ende. Eine nicht unproblematische Scheidung im katholischen Italien, aber auch den Niedergang der Cinecittà nutzte er, um sich an einem anderen Ort neu zu erfinden: in München. 1973 zog er in die bayerische Landeshauptstadt. Dort lernte er seine neuen Partnerin Marion kennen und zog mit ihr nach Grünwald. Sein Büro hatte er in Schwabing. Weniger als Starfotograf, denn als Talentscout arbeitete er unter dem selbstgewählten Label „Paolo Costa, der italienische Starfotograf“. Er richtete Schönheitswettbewerbe in Rimini aus. Suchte Deutschlands schönste Frauen, förderte Karrieren. Der Ruhm der Stars verlieh ihm einen Nimbus des Prominenten. Seine Autorität für das Schöne und die Dolce Vita war damit legitimiert und gut begründet. 

Costa der Starfotograf und ehemaliger Fotograf der Stars lebte standesgemäß in im Münchner Süden. In den 1970er Jahren war München ein glamouröses bayerisches Dorf an der Isar. Dort wurde zu seiner Zeit durch den Südtiroler Giorgio Moroder der Munich Sound erfunden. Und natürlich: die Schickeria Schwabylons, dem der Schweizer Architekt Justus Dahinden im Auftrag des Augsburger Otto Schnitzenbaumer ein bauliches Denkmal als legendäres Einkaufszentrum am Ende der Leopoldstraße setzte. Queen ließ sich dort fotografieren – auch Freddy Mercury steht symbolisch für diese Münchner Jahre. 

Alexandra, Tochter und Leben

1975 wurde Paolos und Marions Tochter Alexandra geboren. Bald wurde Paolo krank und verstarb 1981. Alexandra hat wenig Erinnerungen an ihren Vater. Zusammenkünfte mit Fellini kann sie nicht erinnern, sie wurden ihr aber erzählt. Paolo Costa kochte für sie. Er war ein fantastischer Koch. Genießen konnte er und er bereitete Genüsse. Jeder Besuch in San Marino, dem Freiheitsort des Vaters, ist positiv belegt bei Alexandra. Es sind kleine wenige, aber um so wohligere Erinnerungen an den Vater, die große Symbolkraft haben. Aber erst jetzt, seitdem sie dessen Nachlass sichtet, ihn mehr und mehr zu einem Archiv umbaut, um dem Vater eine gebührende Position unter den Starfotografen zukommen zu lassen, kam sie ihm immer näher. So nahe, wie sie jetzt ihrem Vater ist, war sie ihm noch nie. Sie feiert ihn in dieser ersten Einzelausstellung, die in Augsburg stattfindet. Ein erst erstaunlicher, sogar irritierender Ort, denn Augsburg war keine Lebensstation von Costa. Doch längst ist Paolo Costa durch seine Tochter Alexandra mit Augsburg verbunden. Hier ging sie nach seinem Tod zur Schule, hier lernte sie als Kind die Galeristin Sybille Terpoorten kennen, mit der sie eine jahrelange Freundschaft verbindet. Die Galerie Süßkind sollte es sein, musste es sein: Der Ort an dem die erste Einzelausstellung stattfindet, weil hier in der Stadt Freundschaft und Geborgenheit liegen. 

Diese Beziehung zwischen Galeristen und Tochter des Fotografen schenkt der Stadt Augsburg eine Weltpremiere: den Starfotografen Paolo Costa. Möge die Ausstellung dazu beitragen, ihm seinen gebührenden Platz zuzuweisen. 

Die Rede wurde am 13. April 2024 frei von Prof. Dr. Stefan Lindl gehalten. Sie enthielt dialogische Elemente zusammen mit der Tochter Paolo Costas, Alexandra Pfründer.

Beitragsfoto: Foto von einer Fotografie Paolo Costas.

Hinterlasse einen Kommentar