Zeit der Asymmetrie. Oder: Warum nicht Trump danken lernen?

Virgil_Solis_-_Gigantomachy

 

Trump, Seehofer, Johnson agieren nationalstaatlich, exklusiv, insulär, protektionistisch, antiliberal, antiglobal, antitransnational, antiinternational, diskriminierend, unchristlich. Sie verkörpern die Gegenentwürfe der Werte, die sich seit Ende der 1980er Jahre entwickelten und über die 1990er Jahre in einigen Bereichen der Gesellschaften etablierten. Damit stehen die drei gender, race and ethnicity gegenüber, von ihnen getrennt durch eine unüberwindbare breite sowie tiefe Spalte. Sie erscheinen vielen Menschen als unbegreifliche Wesen, weil sie durch ihre für sie so fernen Werte und Ideale kaum mit deren sozialen Wirklichkeit in Verbindung zu bringen sind. Sie wirken wie mythische Narrationen einer fernen unfassbaren Götterwelt, wie der kinderverschlingende Kronos, der Europa vergewaltigende Zeus, der gestaltwandelnde Proteus oder Ate, die Götter und Menschen verblendet und ins Verderben führt. Vielleicht sind auch Trump, Seehofer und Johnson Opfer der Ate. Doch mit was könnte Ate die drei verblendet haben, um sie ins Verderben zu führen? Es könnten Werte sein. Werte einer verlorenen Welt mit den hässlichen Fratzen des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Es sind nicht die drei als Menschen, die von Interesse wären, es sind ihre Positionen, die sie vertreten, die uns vor eine einzige Herausforderung stellen, die da heißt: Wo stehen wir? Hinter Trump, Seehofer und Johnson? Oder auf der anderen Seite der Ideen, die das Ende des 20. Jahrhunderts dem neuen Jahrhundert als Hinterlassenschaft und Richtungsweiser überließ. Das 21. Jahrhundert steht vor internationalen und globalen Aufgaben, weil wir alle auf einer Welt leben. Wir können uns nicht homöopathisieren, den Globus in Globoli atomisieren, um sogleich eine eigene Atmosphäre herumzulegen, die vor den Unbilden des Universums schützt. Bis auf weiteres sind wir alle zusammen auf diesem Planeten gefangen. Zunehmend wird deswegen Raum knapp und Luft nicht nur dreckig, sondern auch warm. Ressourcen schwinden im Drang der Begierde sie zu konsumieren. In dieses Hineingeworfen-Sein der Lebensbedingungen unterscheiden sich die Menschen nicht. Aber sonst sind sie mit eigenen, völlig unterschiedlichen Weltanschauungen ausgestattet, die von vielfältigsten kulturellen Herkünften zeugen. Wir haben alle ein Recht darauf so zu leben, wie unsere kulturellen Heimaten es uns vermittelt haben. Die Vielfalt macht es möglich, in ihrem Aufeinandertreffen Neues zu erschaffen. So funktioniert Kreativität, die wir so dringend nötig haben. Sie erschafft aus Unterschiedlichem, das aufeinander trifft, das Neue. Es liegt eine Chance in der Vielfalt, die genutzt und nicht beschränkt werden sollte. Natürlich liegt auch eine Gefahr in der Vielfalt: Veränderung und Wandel sowie Unsicherheit. Ewig ist das Problem virulent, Sicherheit aufzugeben, um Wandel zu ermöglichen. Ewig ist auch das Problem der Angst vor allem Fremden und den Fremden. Wir werden uns vor allem darüber Gedanken machen müssen, wie wir mit dem Fremden im Gewohnten umgehen. Nicht wie wir es schnellst möglich wieder losbekommen. Denn auch das Fremde im Gewohnten wird irgendwann zum Gewohnten. Man muss sich nur darauf einlassen und sich Zeit lassen. Migranten und Arbeitsmarkt heißt die utilitaristische Verbindung, die ein Schlüssel sein kann. Für die Integration hilft keine oktroyierte Leitkultur, sondern Aushandeln von Positionen und Instrumente, um die Sicherheit zu gewährleisten. Die Fremden abwehren zu können, ist eine Imagination des Reinen und Puren und nichts anderes. Ein Migrationsutilitarismus wäre eine Lösung, aber er wird die zu erwartende Menge von Klima-Migranten nicht bewältigen können, die bis in der Mitte des Jahrhunderts nach Europa kommen werden.

Wir stehen wohl unter den Vorzeichen des Klimawandels vor der Offenheit und dem Umgang mit dem Fremden ohne Wahl, ohne Alternative. Wir müssen Instrumente entwickeln, um mit Migration umgehen zu lernen. Es wird nicht helfen, Integration als Aufgabe des Fremden zugunsten einer Leitkultur zu definieren. Wir brauchen keine Leitkultur, sondern eine Globalkultur, die die vielen kulturellen Heimaten mit einem Verständnis für das Globale ausstattet, um Probleme bewältigen zu können, die mehr sind als homöopathische Globoli, sondern ein großer Globus. Narrative wie Trump, Seehofer und Johnson sie liefern, sind gegen all das gerichtet. Sie wollen weitermachen in der Vergangenheit und redlich naiv die Zukunft verneinen.

Jedoch sind alle drei wertvoll. Wir werden lernen müssen ihnen zu danken. An diesen Figuren müssen wir uns abarbeiten, indem wir uns positionieren. Wollen wir das 19. Jahrhundert, Einheit, starke Normative, Nationalstaat, Ausgrenzung, Diskriminierung und Unmenschlichkeit? Oder wollen wir die Ideale des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts, die bedeuten Vielfalt in allen Bereichen, starke Grundnormative, Globalität (und nicht Globulität) und den Versuch einer Inklusion, die Vermeidung von Diskriminierung, die uns so arg im Griff hat? Wollen wir Menschlichkeit?

Wir brauchen Ideen, die quer zum Normalen laufen. Vielfalt kann nicht in den Systemen bestehen, die in den Jahrhunderten vor uns geschaffen und ausgehandelt wurden. Vielfalt braucht eine Umwandlung der Systeme, sonst siegt der Unfriede, den wir jetzt gerade erleben.

Wir leben in einem Zeitalter der Asymmetrie. Die Ideen und Vorstellungen von gender, race und ethnicity sind politisch-normativ längst fixiert. Aber die Politik hat vergessen sich selbst zu reformieren, damit diese Ideen auch gelebt werden können. Trump, Seehofer, Johnson sind Giganten, die Rollenträger und Medien der mythischen Narrative, die mit Wortgewalt den Bestand der alten, überlebten Ordnung erhalten wollen. Ihre Gigantomachie besteht aus ihrem Wollen, die neuen Götter, die neuen Werte zu stürzen.  – Wollen wir das auch? Oder können wir vielleicht dankbar werden, dass sie diese Rollen übernommen haben, um uns klar von ihnen distanzieren zu können? Liegt ihr Nutzen in einer Intentionalisierung der Distinktion, nichts mit ihnen zu tun haben zu wollen. Indem sie die alten Werte hochhalten wie Standarten eines vergangenen Kriegszugs, vernichten sie sie. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit und damit eine Frage, wie schnell sie durch ihre Provokationen weiter empören in ihrer Gigantomachie gegen Ideale der Vielfalt repräsentiert durch gender, race and ethnicity. Die Hoffnung bleibt, dass die Demokratien durch sie nicht ausgehöhlt werden, sondern eine Transformationsphase passieren, um sich den Gegebenheit der Zukunft anpassen zu können. Mit Passivität allerdings wird diese Passage der Transformation misslingen.

 


Beitragsbild: Virgil Solis, Gigantomachie.

3 Gedanken zu “Zeit der Asymmetrie. Oder: Warum nicht Trump danken lernen?

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