Der Absturz der Altparteien ist programmatisch. Sie haben keine Antworten geliefert, obgleich seit dem Ende der 70er Jahre die Auswirkungen des anthropogen verursachten Klimawandels durch die Arbeit von Hermann Flohn und seinen Mitstreitern international bekannt geworden waren. Sie hatten kein Interesse. Die SPD wollte sauberes Wasser, weniger Lärm und gute Luft für ihre Arbeiter und Arbeitnehmer in idyllischen Naherholungsräumen. Aber unter Helmut Schmidt wollten sie das nicht mal mehr. Das Wahlprogramm weist in knappen Punkten aus, dass schon alles erreicht wurde. Die CDU/CSU hingegen thematisierte nichts, sondern stellte nur heraus, dass auf die Belange der Wirtschaft Rücksicht genommen werden müsse und zwar bei allen Umweltschutzfragen. – Das war in den 1970er Jahren so, das war in den 1980er Jahre so, das war in den 1990er Jahren so und heute ist es auch noch so. Da macht sich ein CDU-Mann, Ziemiak, Generalsekretär, über die Jugend lustig, dass sie keine Rücksicht auf Arbeitsplätze nähmen und einfach zu simpel dumme banale Forderungen in die Welt hinausposaunten, ohne das große Ganze zu sehen, zu dem nur die CDU fähig sei. Ganz neu ist das nicht. – Klimawandel ja, aber bitte immer an die Arbeitsnehmer denken. In den 1990er Jahren kam ein Credo der CDU/CSU noch hinzu: Die Krise kann nur global gelöst werden. Nun, so wurde alles in Ordnung, global ist die Lösung. Die SPD argumentierte im Prinzip ähnlich, Klimakirse vielleicht, aber den Arbeitern muss es gut gehen. Dann wären da noch die Grünen – sie sind heute die Alternative, der Ausweg. Auch sie waren nicht wirklich vorne dran. Ihr Interesse für den anthropogen verursachten Klimawandel erwachte auch erst in den 1990er Jahren. ihr Pfad hatte in der Umwelt und in der Friedensbewegung begonnen, sie konnten das Thema lediglich am besten und am überzeugendsten integrieren.
Für die CDU/CSU wird es weiterhin sehr schwer. Ihr Arroganz und Ignoranz den „naiven Kindlein“ „Hippies“ und „Friedensbewegten“ gegenüber, die keine Ahnung haben, im Gegensatz zu der alten, weißen Volkspartei, hat irreparable Wunden aufgerissen. Sie haben sich selbst – wie auch die FDP – stigmatisiert. Sie sind nicht glaubhaft für alle, die den Klimawandel als ernsthaftes Problem verstanden haben – jung und alt. CDU/CSU und FDP können kein Vertrauen mehr gewinnen, weil ihre Überheblichkeiten wie eine Kriegserklärung wirkten. Die Reformen, die geleistet werden müsste, auch und vor allem in personeller Hinsicht, sind vielleicht in einem Jahrzehnt zu bewältigen. – Vielleicht. Die SPD könnte mit wenigen Kniffen Ressource, Verteilung und Klima zusammenführen. Das ist, wie eine meiner Studien vor einem Jahr zeigte, problemlos möglich, wenn sie sich von alten Denkmustern befreit. Aber das ist das Schwierigste, das kennen wir von uns selbst als Inndividuen. Angemessen auf die Klimakrise zu reagieren, heißt den Kapitalismus zu hinterfragen, heißt die Systemfrage zu stellen, denn der Klimawandel und seine gegenwärtige dramatische Zuspitzung ist nur im Rahmen des Kapitalismus und des energetischen Fossilismus zu verstehen, die beide im 19. Jahrhundert paradigmatisch geworden sind. Hier hätte die SPD eine Chance, wenn sie nur 1 und 1 zusammenzählte. Das hieße aber, auch hier müsste personell die alte Garde ausgewechselt werden, um Vertrauen zurückzugewinnen.
Neues Leben, neue Urbanizität in den Rahmenbedingungen globaler Herausforderungen zu entwickeln, bedarf mehr als kapitalistischer, neoliberaler Arroganz auf der einen Seite und Gerechtigkeitsplattitüden auf der anderen. Es scheint, als hätten die Grünen die sinnvolleren und besseren Argumente. Und das ist und wird ihr Erfolg sein: Hinein in ein Nachhaltigkeitsdenken. Ressourcen und Verteilung in einem nachhaltigen Rahmen, das sind die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Dazu gehört es auch, alles als Ressource zu verstehen: Kultur, soziale Konstruktion, Kommunikation ebenso wie Energieträger, etc. etc. Alle Errungenschaften des 19. Jahrhunderts – beispielsweise Eigentum – wird hinterfragt werden. Denn das Eigentum ist im Moment nicht nachhaltig, weder bezogen auf Immobilien, noch Mobilien. Ich wünschte sehr, dass die guten Ansätze, die auch bundesministeriell bereits ausgearbeitet sind, wie beispielsweise die Gedanken zur Neuen Urbanizität, weiterentwickelt werden. Vielleicht trägt dieses Wahlergebnis die motivierende Kraft der Veränderung in sich. Zu wünschen wäre es.