Vorwort zu: Die Authentische Stadt. Zwischen Klimaschutz und Denkmalkult
Noch vor ein paar Wochen war klar, wer von Resilienz urbaner Räume spricht, bleibt unverstanden, visionärer freischwebender Außerirdischer im Raum der alten industrialisierten kapitalisierten globalisierten Welt, die ein bisschen aufgerüttelt worden war von streikenden Schülerinnen und Schüler, die keine Lust auf Schule hatten. Die Widerstandskraft der Städte zu stärken, das war ein Thema für die ferne Zukunft, nichts für die Allgemeinheit. Für die Wissenschaft, die Stadtentwicklungsforschung war Resilienz eine Notwendigkeit, ein brennendes unmittelbar anstehendes Problem, aber nichts, das berührt, das Menschen außerhalb der Universitäten, Forschungsinstitute, Hochschulen, Think Tanks und einige Ämter und Behörden betrifft. Immer wieder haben Terroranschläge das Thema und die Frage aufgeworfen: Wie schützen wir die Städte? Doch je entfernter der Terror, desto größer das Sicherheitsgefühl, bis wieder der Terror aufrüttelte. Aber Terror erweist sich nur als die eine Seite der Widerstandskraft der Städte, die andere verbirgt sich in den Bereichen, die unseren Wohlstand überhaupt erst hervorgerufen haben: Nutzung und Ausbeutung des fossilen sowie die daraus folgende Industrialisierung und Mobilität, Kapitalismus und die verschiedenen Globalisierungsphasen. Die Resultate daraus sehen wir nun in einer Krise mit Ansage. Wir haben an dieser Stelle viel zu wenig getan, obgleich seit 2008 mehr als die Hälfte der Menschen in den hochsensiblen Räumen der Städte wohnen, obwohl es in Deutschland 77 % sind und in anderen westlichen Ländern noch mehr. Wir haben Bedarf an Resilienz. Und erst jetzt können wir ihn spüren und vor allem sehen, selbst wir, die als Forschende das Problem im Blick hatten, hätten sich wohl diese Auswirkungen von Covid-19 nicht vorstellen können.
Innerhalb von wenigen Stunden ist alles anders geworden. Und wir stehen vor dem Scherbenhaufen unserer Unzulänglichkeiten. Zu wenig wurde das Thema Teil des allgemeinen Diskurses, zu wenig wurde die digitale Infrastruktur auf- und ausgebaut, zu wenig über Mobilität nachgedacht. Die Ökonomie, ja, immer die Ökonomie, die Arbeitsplätze müsse einbezogen werden, hieß es: „Zukunft ja, aber bitte sozialverträglich!“ Die Ethik der Nachhaltigkeit hat gerade darauf immer Rücksicht genommen. Heute sehen wir, dass nur Resilienz und die daraus folgenden Änderungen Sozialverträglichkeit gewährleisten hätte können. Das betrifft vor allem die Mobilität und die Energiewirtschaft, die eine Transformation benötigen. Sie sind mit der Digitalisierung in einer Atmosphäre digitaler Kultur Schlüsselthemen der Zukunft und genau darin liegt für die Bundesrepublik Deutschland das größte ökonomische Problem, dort muss eine mutige Transformation erfolgen, die kurzfristig per se nicht sozialverträglich sein kann. Doch dieses Risiko muss eingegangen und bedacht werden, sonst erlangen wir keine Resilienz urbaner Räume, die wir in der Corona-Krise schon so nötig gehabt hätten. Obendrein stehen wir vor einer Situation in der „sozial“ plötzlich Gefahr bedeutet. Nicht die möglichen Folgen eines lediglich prognostizierten Klimawandels sind eine Gefahr für das Soziale, das Soziale ist Gefahr für unser individuelles Leben. Ein Renversement der Werte wurde von einem Virus vor Augen geführt, das die UN und die Wissenschaft seit Jahren für sehr absehbar gehalten haben. Es sei nur noch eine Frage der Zeit, war die Meinung.
Wir müssen Widerstand ermöglichen und unsere urbanen Räume schützen und trotzdem die Möglichkeit einer offenen Gesellschaft im Auge behalten, damit wir menschlich bleiben und humanitäre Hilfe leisten können. Das tönt ein wenig wie die Quadratur des Kreises, aber es lohnt sich. Die Digitalisierung wird dabei eine der wichtigen Rollen spielen, um eine nachhaltige neue Kultur der Mobilität zu ermöglichen. Wir stehen vor dem größten Strukturwandel seit der fossilen Zeitenwende im 19. Jahrhundert. Neben dem Stillstand unseres sozialen Lebens in diesen Tagen im März 2020 sollten wir neben den Ängsten, neben den Kranken und Toten eines nicht aus dem Blick verlieren, die Zukunft, in der wir aus all dem gelernt haben werden. – Resilienz, für eine urbane offene Gesellschaft!