Was war Corona? – Corona-Tagebuch 2

Was war Corona? Bruder Virus: Zuchtmeister der Behaglichkeit

Corona-Tagebuch 2

Was wird bleiben? Betrachten wir die Corona-Krise aus der Zukunft vom Standpunkt, wie die Corona-Krise gewesen sein wird. Corona wird sich als der größtmögliche Schock mit den keineswegs denkbaren größtmöglichen katastrophalen Auswirkungen erwiesen haben, der alle in spektakulär kurzer Zeit in ein neues Zeitalter hineinkatapultiert hat. Das hatte die Welt dringend notwendig gehabt, aber an den Ort, an den das Virus uns beförderte, hatten viele nicht hingewollt. Das Virus: Zuchtmeister der Unbeugsamen.

Es ist verständlich, dass niemand in die neue Zeit wollte. Nun ja, es gab einige Ausnahmen: Fridays-for-Future wünschte es sich, davor attac und so viele, die um die Auswirkungen der Klimakrise und auch deren Kosten wussten. Aber das fossile Wirtschaftsgefüge hatte uns die Welt so behaglich einrichten lassen, von ihm wollte niemand weg, insgeheim nicht einmal die, die wussten, dass wir davon dringend fortmüssen. Natürlich können wir nicht einfach nur so von heute auf morgen ein System verlassen, das höchst behaglich ist. Selbst wenn wir wissen, dass seine Auswirkungen tödlich sein und maximal gefährlich für die Menschheit werden wird, wie es ehemals vor der Corona-Krise mit der Klimakrise war. Das schwarze Eiapopeia unter den Bohrtürmen und Frackinganlagen war doch einlullend schön gewesen. Zumindest für ein paar Gesellschaften auf dieser Erde, die anderen hatten ja Pech gehabt, aber auch sie waren systemrelevant. Kapitalismus braucht Differenz und Potentialgefälle. 

Wir hatten es damals besser gewusst, dass die fossile Mobilität eines der großen Probleme ist, unsere Autos, unser tägliches hin und her, die vielen Flüge über den Globus. Wir wussten, viele urbane Räume werden an den Küsten verloren gehen, wir wussten, wie sich die Binnenmigration auswirken wird, wir wussten, wie sehr uns Wetterereignisse zusetzen werden, wir wussten, dass viele, sehr viele Menschen sterben werden, bedingt durch das Klima, die langen Hitzephasen, Wetterereignisse, soziale Unruhen, Kriege und letztlich auch wegen neuer Krankheiten, die durch den Klimawandel hervorgerufen werden. Wir nahmen die Vernichtung der Biodiversität in Kauf, possierliche und auch seltsame Tiere verschwanden, aber: uns gut. Wir wussten, dass Gewinne nur durch möglichst große Unterschiede gemacht werden können: Billig Arbeitskräfte und anspruchsvolle Konsumierende machten das Leben zur Party, daraus nährt sich sattsam das Wachstum. Unsere Vorteile waren so gewaltig, dass wir keine Angst vor der Zukunft hatten, deswegen blieben wir im System. Außerdem wussten auch alle: Ein System kann man nicht einfach so umstellen. Sofort ginge das nicht, wie Fridays-for-Future es forderte, hieß es. Naiv, unwissend weltverbesserisch, ungebildet wurden diese Kinder und Jugendlichen genannt, die auch noch die Schule schwänzten und sich dadurch das heilige Leistungsprinzip in Frage gestellt hatten. Man müsse doch auf die Sozialverträglichkeit achten, lautete die Botschaft gegen die Schulschwänzer. Die Welt ist viel komplizierter, Kinder können das nicht überblicken. Wir bleiben im System und gehen langsam über in ein neues. Sehr langsam, nur Langsamkeit ist sozialverträglich. Noch einmal und immer wieder hörten wir: „Die Welt ist viel zu kompliziert!“ – Nein, ist sie nicht! Corona hat es gezeigt. Die Überwindung eines Systems geht ganz einfach und ganz schnell. Und zwar tatsächlich wegen der Gefahren, die prognostiziert worden waren: Alle Gewohnheiten, die Globalität und Wachstumskapitalismus ausgelöst hatten, so lautete eine der Vorhersagen, werde in der Form des Jahres 2020 die notwendigen Klimaschutzziele nicht erreichen lassen, die wichtig wären, um die globale Erwärmung abzumildern oder zu gar zu stoppen. Corona machte es dann doch möglich.

Die Gefahren, die durch unseren fossilen Lebenswandel, unsere fossilen Werteordnungen und Rechtfertigungsordnungen präsent waren, die niemand jedoch wahrhaben hatte wollen, waren plötzlich durch Corona weltweit vor Augen gerückt worden. Innerhalb weniger Tage wurde das ehemals, um alles in der Welt zu erhaltende Wirtschaftssystem, pulverisiert. Das fossile Wirtschaftssystem bedrohte plötzlich massenhaft Existenzen – nicht Corona –, es erwies sich als überhaupt sozialverträglich, weil es sich absolut nicht als krisenresisten zeigte. Corona machte deutlich, wie filigran die Gesellschaften wirklich waren, wie wenig die urbanen Räume über Resilienz verfügten. Plötzlich wurde offenbar, dass das kapitalistische Lebenselixier, die möglichst große Differenz von Arm und Reich, in der Krise das gesamte auf Wachstum ausgerichtete System bedroht. Das System war gescheitert an einer Krise und das mit Ansage: Corona. 

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