Neu als open access-Publikation ist der Roi maudit – Ludwig II. erschienen, der 2011 anlässlich der Landesausstellung in Herrenchiemsee veröffentlicht wurde.
„Fern der Residenzstadt wirkte alles anders: Für die Einwohner der Bezirke Füssen, Imst und Reutte war Ludwig II. der König, hochverehrt und der Würde des Monarchen entsprechend positioniert. Dieser Me chanismus funktionierte invers zu Ludwigs Münchner Distinktionsstrategie: Gerade weil er – der genealogisch legitime König – sich zum „poète maudit“ stilisiert hatte, war es der Bevölkerung möglich, ihn als König wahrzunehmen. Seine Stilisierung als Außenseiter, als schöpferisch-künstlerischer Geist, der sich von der bürgerlich-bäuerlichen Gesellschaft absondern muss, um sein Werk voranzutreiben, wirkte als Unterschei dungsmerkmal, das offenbar akzeptiert wurde.
Natürlich steckt in der Stilisierung Ludwigs II. zum „roi maudit“ auch etwas Zufälliges. Andere außerge wöhnliche Stilisierungen hätten vermutlich ebenso ge wirkt, denn das Wesen eines „roi maudit“ allein hätte kaum die Verehrung bewirkt, die dem König nach sei nem Tod zuteil wurde. Die ökonomischen und künstle rischen Distinktionsmittel sowie Ludwigs Genealogie taten das Übrige. Doch die Stilisierung zum „roi mau dit“ verlieh dem König das Besondere, das Außerge wöhnliche des künstlerischen Gestalters.
Nach Alexander Rauch zeigte er sich als Künstler, der in symbolischen Formen dachte, der Gefühlen und Kognition Ausdruck in einer Bilder- und Archi tekturwelt verlieh, die nicht direkt, sondern als Metaphern verstanden werden wollen. In diesem Denken ist die sichtbare Welt eine Welt, die für etwas steht. Sie ist keine Welt, die so ist, wie sie zu sein scheint: Sie ist immer Ausdruck für etwas. Wie es der Dich ter Charles Baudelaire in seinem Gedicht „Le Cygne“ auf den Punkt brachte: „tout pour moi devient allégo rie“ – „für mich werden alle Dinge zum Sinnbild“.
Dieses Denken des Symbolismus und das Innerliche der Lebensweise des „poète maudit“ bzw. „roi maudit“ blieben der Bevölkerung um Hohenschwangau mit Sicherheit verschlossen. Aber gerade in jenem Raum, in dem das Unverstandene, das Andere und die körperliche Präsenz ineinandergreifen, entstehen das Gefühl für und das Wissen um den Unterschied der so zialen Positionen. Dort entfaltet sich die Distinktion, die den König entrückt – einer Apotheose gleich.“ S. 79.