Der Hygieniker und Meister der Cholera, Max von Pettenkofer, hinterließ dem 20. Jahrhundert viel Gutes. München, Augsburg wandelte er zu gesunden, hygienischen Städten mit zentraler Abwasserentsorgung und geregelter Trinkwasserversorgung. Aber er war auch für einige Meme verantwortlich, die bis heute für Missverständnisse und Unbehagen sorgen, die sich offenbar kollektiv tief sedimentiert haben.
Er irrte in vielem, sein Starrsinn war sprichwörtlich, aber seine praktischen Folgerungen seiner Theorien gaben ihm irgendwie auch recht. Es kommt eben nicht nur auf die Richtigkeit einer Theorie an, sondern aus den Folgerungen, die daraus gezogen werden. Pettenkofer glaubte, nicht wie sein Kontrahent Robert Koch, an das Miasma, an toxische Gase aus dem Boden, die für die Cholera verantwortlich seien. Pettenkofer hing dem Hippokrates von Kos an. Robert Koch hingegen folgte einer anderen Denkrichtung, er war Kontagionist. Marcus Terentius Varro hatte diese Theorie entwickelt, die davon ausgeht, dass contagia viva, lebende Krankheitserreger, für den Ausbruch von Krankheiten verantwortlich sind. Diese Denkrichtung war aber 2000 Jahre wenig verbreitet.
Pettenkofer vertrat deswegen auch vehement die miasmatische Theorie des Hippokrates, letztlich beruhte sein Denken auf den Theorien seines akademischen Lehrers Justus von Liebig: Die Cholera kam aus dem Boden – basta! Der Boden kann gefährlich sein, Toxisches verbirgt sich in ihm.
Pettenkofer hat damit ein Mem geschaffen, das offenbar bis heute am bundesdeutschen kollektiven Unbehagen abzulesen ist, wenn es darum geht, neue Techniken wie das Direct air Capture-Verfahren und die Carbon Capture and Storage-Technologie politisch zu fördern. Mit diesen verschiedenen Verfahren wird CO2 aus der Luft abgeschieden, gewonnen und in tieferen Erdschichten gespeichert. Das Verfahren wird erprobt und ist sicherlich noch nicht serienreif und am Rande der Wirtschaftlichkeit. Aber wenn diese Technologien wirtschaftlich arbeiten, dann ließen sich negative CO2-Emissionen erzielen. Doch die bundesdeutsche Gesetzeslage widerspiegelt das Unbehagen. Es wird auf die natürliche CO2-Senke, den deutschen Wald, verwiesen. Er müsste ausreichen, um notwendige CO2-Emissionen, also nicht reduzierbare Emissionen, zu kompensieren, um die angestrebte CO2-Neutralität zu erlangen.
Warum diese Angst vor dem Boden? Warum der Rückzug in den deutschen Wald? –
Pettenkofers Miasma wirkt. Vielleicht sollten diese Ängste des 19. Jahrhunderts uns bewusstwerden, um die Lage anders zu beurteilen. Miasmatische Theorien sind nun wirklich nicht mehr die Grundlage unseres Weltverstehens. Klimaschutz verlangt auch den Starrsinn des Max von Pettenkofers zu hinterfragen. Dazu ist die Erderwärmung ein viel zu ernstes Thema. Die Gesetzeslage zur CO2-Speicherung wirkt sich auf die Bereitschaft aus mit Fördergeldern umzugehen. Das sollte immer bedacht werden.
Vor Miasmen müssen wir keine Angst mehr haben. Vor einer unzulänglichen Ausführung von Speicherung schon. Aber dies zu vermeiden, wäre eine Hauptaufgabe der Forschung zu Direct air Capture und Carbon Capture and Storage.