75 Jahre Rathaus Neubiberg – Eine ambivalente Familiengeschichte
Bislang habe ich mich als Urenkel des Architekten Lorenz Mesch von der Familiengeschichte fern gehalten. Nun wurde mir mit der Anfrage, ob ich einen Vortrag über das Rahtaus Neubiberg und seine Baugeschichte halten könnte, die Möglichkeit einer öffentlichen Auseinandersetzung gegeben. Das ist eine Herausforderung, der ich mich gerne stelle. Seit meiner Kindheit kenne ich die Sprachlosigkeit meiner Familie, die mir ein Rätsel war. Rätsel, stellte Paul Ricoeur fest, verhindern nicht Erkenntnis, sondern fördern sie.
In der Tat war und ist mir mein Urgroßvater ein Rätsel. Erst während der letzten Lebensjahren einiger Familienmitglieder durfte ich teilhaben an deren Erinnerungen und Wissen, das sich durchaus mit der Forschungsliteratur deckte. Sie skizzierten einen charismatischen Menschen, der seine Gaben einsetzte, um unmenschliche Werte zu verbreiten und umzusetzen. Längst gelten sie als die großen Unwerte des 20. Jahrhunderts, die mit den Adjektiven völkisch-national, antidemokratisch und antisemitisch erfasst sind.
Über das Rathaus Neubibergs zu sprechen, bedeutet für mich, eine ambivalente Familiengeschichte zu erzählen. Es ist keine Geschichte im Sinne einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Dazu fehlt mir die notwendige Distanz. Es ist eine persönliche Geschichte, eine zwiespältige Geschichte, deren Probleme all diejenigen kennen, die sich vermittels eines Vorfahrens mit den 1920er-1940er Jahre auseinandersetzten: Es entsteht eine Geschichte der familiären Verbundenheit und des Abscheus, der widerstrebenden Nähe und der sehnlichst gewünschten Distanz, die die familiäre Bindung aber irgendwie nicht zulässt. – Es offenbart sich ein Kampf, den für mich ein Gebäude repräsentiert: Das Rathaus Neubiberg.
Donnerstag, 20. Juni 2013, 19.00 Uhr, Haus für Weiterbildung, Neubiberg
75 Jahre Rathaus Neubiberg – Ankündigung auf der Website der Gemeinde