N! – Krieg und veganes Klimagewissen. Ukrainische Erkenntnisse

Ernähren Sie sich vegan? Glauben Sie, mit Ihrer Ernährungsweise das Klima zu schützen und CO2-Emissionen zu vermeiden? Der Krieg in der Ukraine könnte ein neues Licht auf Ihr gutes Gewissen werfen. 

Herr Habeck rief heute am 30. März 2022 die Frühwarnstufe des „Notfallplans Gas“ aus. Für einen grünen Minister eröffnet sich eine ganze Welt der Probleme mit dem Klimaschutz, der Vermeidung von CO2-Emissionen. Natürlich scheint es auf den ersten Blick klar und deutlich: Gas und Klimaschutz gehen nicht einher. Das fossile Zeitalter sollte überwunden werden, die russische Aggression in der Ukraine zeigt, wie schwierig es dennoch ist, um auf Gas zu verzichten. Europa und insbesondere Deutschland sind abhängig davon. Ohne Erdgas fehlt der Energieträger, Heizungen stehen still, viele werden zu Kaltduschern, das Gekochte wird ersetzt durch das Rohe, wenn Gas in Haus und Küche fehlt. Auch die Wirtschaft leidet ohne den offensichtlichen Energieträger Erdgas. Bald stünden ohne Gas die Produktionen still. 

Doch Gasmangel verfügt über Dimensionen, die nicht sichtbar sind. Vor einigen Wochen gab es Panikkäufe, weil AdBlue, ein Mittel zur Reduzierung von Stickoxidemissionen von Dieselmotoren, auf dem Markt knapper und teurer wurde. AdBlue ist Harnstoff, landläufig Bullenpisse genannt, wie konnte der knapp werden? Hatten sich inzwischen unhörbar die Veganer:innen durchgesetzt und Massentierhaltung mehr und mehr abgeschafft, sodass die Ressourcen an Harnstoff dahingeschmolzen waren wie die Alpengletscher? Es wäre eine romantische Vorstellung, wenn wir glaubten, Harnstoff würde in den Ställen der Massentierhaltung geerntet werden. Eine völlig verquere Idee, wäre es obendrein, denn das bedeutete schließlich, dass Massentierhaltung irgendwie gut für den Klimaschutz und ebenso gut für den Umweltschutz wäre. 

Es mag wenig beruhigen, dass es sich so keineswegs so verhält. Harnstoff entspricht einer Stickstoffverbindung (N = Stickstoff), die auf der Grundlage des Haber-Bosch-Verfahrens zur Ammoniaksynthese industriell hergestellt wird. Dazu werden keine Bullen benötigt, sondern Erdgas. Das weiterentwickelte Haber-Bosch-Verfahren nutzt das Gas aus Russland, um Ammoniak zu produzieren. Es stellt die Stickstoffgrundverbindung dar für Düngemittel, Harnstoff und für die Produktion von Munition und Sprengstoffen. Haber-Bosch schenkt Leben und Tod; es nährt und tötet. 

Die Dimensionen öffnen sich nun: Erdgas ist nicht nur ein Energielieferant, es ermöglicht Kriege und es ermöglicht gute Ernten auf den Feldern der Kornkammernder Ukraine. Dort auf den Feldern wird der Stickstoff, der aus dem Ammoniak gewonnen wird, gerade nicht eingesetzt für das, was uns nährt, sondern für das, was vielfach und nachhaltig töten wird. Zuerst die Menschen im Krieg, dann in der Folge die Menschen durch Hunger auf der Welt. All das steht und fällt mit dem Element: N – Stickstoff. Die Erdgasabhängigkeit von Russland scheint folglich mehrfach heikel, weil die Ammoniak- und damit die Stickstoffproduktion auf der Welt gefährdet ist. Ohne Erdgas gibt es keinen Wasserstoff, gibt es kein Ammoniak, gibt es keinen Stickstoff, gibt es keine Munition, keine Düngemittel, kein AdBlue. Eines aber gibt es: Klimaschutz, Verminderung von CO2-Emissionen. 

Egal wie wir es drehen oder wenden, wir benötigen grünen Wasserstoff mit dem durch das Haber-Bosch-Verfahren grüner Ammoniak erzeugt wird und damit grüne Nahrung für die Welt. Erst dann lässt es sich vegan bezüglich des Klimaschutzes gut leben. Bis dahin sind wir in einem Kreislauf gefangen. Der Angriffskrieg auf die Ukraine ist ein Krieg, in dem die Bedeutung des Buchstabens „N“ des Periodensystems richtig bewusstwerden kann. Mit diesem unscheinbaren N fällt und steht alles.

Dazu: Gerhard Ertl und Jens Soentgen gaben vor sieben Jahren ein Buch heraus, das in den letzten Tagen erschreckende Aktualität gewann: „N. Stickstoff – ein Element schreibt Weltgeschichte, München 2015“. Die beiden Herausgeber veröffentlichten eine spannende, packende Geschichte des Stickstoffs, den wir wohl kaum im Alltag beachten. Doch seit über hundert Jahren ernährt und tötet sich die Menschheit von und mit industriell erzeugtem Stickstoff nach dem Haber-Bosch-Verfahren. 

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