Wer hätte denn gedacht, dass unser Leben auf russischem Erdgas beruht? Ohne Energie keine Heizung, kein Strom, keine industrielle Produktion, keine Düngemittel für die Nahrungsproduktion und blühende Gärten, kein AdBlue, keine Munition für Waffen. Alles dreht sich um den Wasserstoff, der aus dem Erdgas und seinem Hauptbestandteil, dem Methan kommt, um mit ihm Stickstoff zu produzieren. In der schönen heilen Welt, in der wir vor der russischen Ukraineinvasion lebten, blieb das fossile Gewissen unter der sichtbaren Oberfläche unseres Ozeans des guten Lebens. Bitter formiert sich nun das Bewusstsein, wie sehr die Abhängigkeit vom Fossilen zum Notstand werden kann, ganz ohne Klimaerwärmung, sondern direkt sichtbar von Menschen gemacht, von der deutschen Politik, von Verbrauchern, von Putin, seinem Regime und allen, die daran gut verdienten. Im Krieg und in der Wirtschaft würden die anthropogene Kausalität und Verantwortung nie in Frage gestellt. Beide sind offensichtlich im Leid, im Schmerz und im Tod von Menschen. Ja, es wäre gut gewesen, die regenerativen Energieträger schon längst vorangetrieben zu haben. Es wäre hilfreich gewesen, wenn sich Ministerpräsidenten nicht gegen Energietrassen gestellt hätten. Allein es ist zu spät. Wieder einmal musste ein Kind in den Brunnen fallen, um hektischen Aktionismus hervorzurufen. Nachhaltiges Handeln hätte bereits in den 1980er Jahren eine langfristige Strategie entwickelt. Hätte, hätte. Ach, wie schön ist der zweite Konjunktiv. Es war nicht so. Klimaschutz, so ist es in den Wahlprogrammen aller Parteien der 1980er 1990er Jahren zu lesen, wenn überhaupt, dann nur global zu bewältigen. Und damit war es getan. Selbst die Grünen sahen im Klimaschutz erst sehr spät, Anfang der 1990er Jahre, vermehrt Handlungsbedarf. Nun haben wir den Salat. Wir müssen weg vom Erdgas. Und wir haben keine Alternativen. Verpflichtet auf das Fossile. Darin liegt eine bittere Einsicht. Natürlich scheint sich darin auch eine Chance aufzutun.
Schon die Pandemie und das Atomisieren der Lieferketten hat uns verwöhnten Westler:innen einen Vorgeschmack auf das ermöglicht, was nun bevorsteht: ein neuer Lebensstil. Er muss mit Verknappung und Beschränkungen rechnen. Der Lebensstandard muss dabei nicht sinken, aber er wird nüchterner werden. Darin liegt eine gewaltige Chance für Nachhaltigkeit, eine große Chance für die Folgen des Klimawandels. Doch nüchtern betrachtet, werden wir in Bezug auf die kommenden Jahre auf das einstellen müssen, was wir jetzt sehen: Dabei ist es selbstverständlich die überfälligen Alternativen der Energieversorgung nicht zu blockieren, sondern mit allen Mitteln voranzutreiben. Gesetzliche Grundlagen müssen Genehmigungsverfahren beschleunigen. Industrielle Produktion muss neu auf die Bedürfnisse ausgerichtet werden. Mobilität im Sinne der Erfahrungen in der Pandemie Hand in Hand mit Digitalisierung gehen. Das alles sollte effizient geschehen. Wir benötigen Wohnraum, der in den Städtern im Bestand gefunden werden muss. Wir werden in der zukünftigen Welt teilen lernen Wohnraum sowie Welten. Der Krieg in der Urkraine, der auch ein Krieg des Fossilen ist, wird vielleicht die Zeitenwende bringen, die bereits die Pandemie von dem Historiker Andreas Wirsching angekündigt hat. Doch sie dient schlecht als Zäsur. Kaum war sie scheinbar unter Kontrolle gebracht, sprossen die alten Gewohnheiten wieder wie die Frühlingsblumen. Der Krieg zeigt nun, dass es so nicht weitergeht. Die Party des Westens ist vorbei. – So sober! Nutzen wir die Chance in all dem Leid!