Das Projekt Engaged Historiography
Was versteckt sich hinter dem Projekt „Engaged Historiography“? Geschichte, das waren einmal Geschäfte, Handlungen in einer Gegenwart. Erst wenn sie erzählt werden, verwandeln sie sich in Geschichte. (Johann Gustav Droysen) Geschichte blickt zwangsläufig reflektierend zurück und kaum nach vorne in die Zukunft. Was aber wäre, wenn wir geschichtswissenschaftliches Arbeiten für die Zukunft einsetzten, wenn Geschichte anwendungs- und transferorientiert wird und ihren Selbstzweck der Wissensproduktion verliert? Ließe sie sich verwenden, um Probleme der Zukunft, beispielsweise Teilprobleme des Klimawandels oder der Gleichstellungs- sowie Gleichbehandlungsfrage zu lösen? Regional- und landeshistorische Herangehensweisen werden in der Enganged Historioraphy genutzt, um sie für die Herausforderungen der Zukunft im Städtebau, in der Renaturalisierung von Landschaft, in der Rekonstruktion von Umwelt und allgemeine gesellschaftliche Fragen auf ihre Dienlichkeit zu prüfen.
Historisches Argumentieren strahlt in jeder Gegenwart immer in einem fahlen Glanz. Es ist wunderschön, es erklärt, aber es hilft nicht viel. So scheint es. Aus der Geschichte lernen? Nun ja, dagegen steht die Geschichte selbst. Sie ist einmalig und allein deswegen kann nicht aus ihr gelernt werden. Nichts gleicht dem, was gewesen. Um Entscheidungen in der Gegenwart für die Zukunft zu treffen, scheint sie keine verlässliche sichere und gute Größe zu sein. Sitzen in einer Podiumsdiskussion Historiker:innen zusammen mit Expert:innen aus anderen Disziplinen, beispielsweise aus der Soziologie, der Politikwissenschaft, der Volkswirtschaft und der Rechtwissenschaft, dann erscheinen sie oft als Exotinnen, als Vertreter einer luftigen Position, die keinen rechten Halt finden möchte. Sie ist schön, leicht, aber sie tut auch nichts, sie will nicht, aber sie spielt doch nur. Verfügt Geschichtswissenschaft also über ein Quäntchen Relevanz, wenn es um die Zukunft geht? Oder ist der Wunsch, dass Ergebnisse der Wissenschaften in einen Transferprozess einbezogen und nutzbar gemacht werden, bezogen auf die Geschichtswissenschaft hoffnungslos?
Wo liegt die Relevanz der Geschichtswissenschaft und im Besonderen, wo liegt die Relevanz der Regional-, Lokal- und Landesgeschichte für die Zukunft? Die Antwort ist einfach. Jede Entscheidung fußt auf einer Bestandsanalyse des Sachstands. Jeder Sachstand ist historisch (bedingt). Jeder Sachstand hat verschiedene Dimensionierungen. Er ist immer spezifisch, lokal, verfügt aber auch über regionale, überregionale, globale, meist normative Ebenen. Für jede Bestandsanalyse, mit der ein Sachstand erstellt wird, sind geschichtswissenschaftliche Arbeitstechniken und Kompetenzen eine sinnvolle, hinreichende, wenn nicht sogar notwendige Grundlage. Der Ort, an dem Geschichte anwendungsorientiert in Entscheidungsprozessen eingesetzt werden kann, lässt sich fraglos bestimmen. Komplexes Entscheiden kann nur auf einem validen und komplexen Sachstand erfolgen, der dann nach einer bestimmten Fragestellung, nach Zielen, Mitteln und Folgen befragt wird. Kurzum: Dort, wo für die Zukunft die Vergangenheit unabdingbar ist, hat die Geschichtswissenschaft anwendungs- und transferorientiert ihren Platz.
Je komplexer ein Sachstand aus einer Bestandsanalyse entwickelt wurde, desto besser lassen sich Mittel wählen und Risiken abschätzen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Regional- und Landesgeschichte könnte also dort Ihren Platz beziehen. Sie stehen am Anfang von Prozessen der Entscheidungsfindung. Ethik könnte an diesen Sachstand ansetzen, der natürlich auch von weiteren Disziplinen mitgestaltet wird.
Mögliche Handlungsfelder sind:
- Umgang mit Kulturerbe, Denkmalschutz
- Stadtplanung
- Renaturierung
- Infrastrukturentwicklung
- Klimaschutz und Klimaresilienz
- Gendergerechtigkeit
- Etc.
Beispiele:
WildUrban – Stadtentwicklung der sozialen Konstruktion
Fischertag in Memmingen: Gendergerechtigkeit